Theo und Nelly van Doesburg



„Bombe im Bauhaus“


„Bombe im Bauhaus“ - der Rotterdamer Architekt J.J.P. Oud (1890-1963) erhielt diesen vielsagenden Text, geschrieben auf einer Postkarte aus Weimar von seinem Freund Theo van Doesburg (1.).

Fast am Ende eines 10 Tage andauernden Besuchs in Berlin im Dezember 1920 erfreute sich Theo van Doesburg (1883-1931) der Bekanntschaft von Richard Huelsenbeck (1882-1974) und von Raoul Hausmann (1886-1971), dem Dada Berlin. Kurz vor seiner Abreise traf er im Hause des Architekten Bruno Taut (1880-1938) den Direktor des Bauhauses Walter Gropius (1883-1969) und seine Mitarbeiter Fred Forbát (1897-1972) und Adolf Meyer (1881-1929). Sicher passte es Doesburg gut, war es doch wieder eine der Reisen, ganz im Sinne des De Stijl (2.), einer Gruppe von Malern, Architekten und Designern und einer gleichnamigen Zeitung (gegründet im Oktober 1917 in Leiden), die sich mit universeller Kunst beschäftigte.

De Stijl und Bauhaus treffen vielleicht an diesem Abend bei Taut das erste mal verbal personifiziert aufeinander um kurz danach, in Form einer Einladung nach Weimar, in einem Vortrag bei dem über 100 neugierigen Studenten zuhörten zu oszillieren. Doesburg fand Gropius sympathisch und das Bauhaus eine aussichtsreiche Schule.


Weimar 1921-1922


Die ersten Wochen am Bauhaus verliefen recht harmonisch. Doesburg präsentierte sich als Kosmopolit und bezog eines der schönsten Ateliers der Stadt. Er genoss eine große Bewegungsfreiheit bis in das Arbeitszimmer von Gropius. In dieser Zeit schrieb er:

Ich habe jeden Abend mit den Schülern gesprochen und das Gift des neuen Geistes verstreut.“ und weiter: „…alles radikal auf den Kopf zu stellen … In der berühmtesten Akademie, die jetzt die modernsten Lehrer hat!“

Theo van Doesburg plante in Weimar eine kleine Ausstellung seiner Arbeiten und einen Aufsatz über das Bauhaus. Der Meisterrat des Bauhauses beschloss zu einer Besprechung am 7. Februar 1921 dazu erst einmal nichts zu unternehmen, bevor nicht Klarheit über seine Absichten herrschten. Doesburg schrieb später:

„Hinzu kommt, daß die Leute in Weimar sehr wohl wissen, daß wir viel weiter sind und deshalb eine Radikale Wende befürchten.“

Die romantisch-expressionistische Methode des Bauhauses sollte sich erst 1923 unter László Moholy-Nagy (1895-1946) zu „Kunst und Technik - eine neue Einheit“ verändern.

Mit den Berufungen von Wassili Kandinsky (1866-1944) zur methodischen Verbesserung eines Grundkurses im Juni 1921, Lothar Schreyer (1886-1966) als Meister und Leiter der Bühnenklasse (1886-1966) im Herbst 1921 (zum Verdruss vieler Studenten) und Moholy-Nagy im Frühjahr 1923, der die konstruktivistische Richtung des Bauhauses aufbaute, umging wahrscheinlich Gropius die Konfrontation mit Doesburgs Temperament.


Pensionat Keyserling und bis „am Rande der Stadt“


Doesburg und seine Frau Nelly wohnten nach Beendigung ihrer Europareise den 29. April 1921, „in einer prachtvollen Wohnung mit herrlicher“ Aussicht bei Graf Keyserling, Am Horn 53 in Weimar. „Jeden Tag reger Besuch, der mit zufriedenen Gesichtern wieder geht“ schrieb Nelly am 31. Mai 1921 an den Stijl Dichter und Tilburger Freund Anthony Kok (1882-1969).

Ebenso ein bekannter Bewohner dieses Hauses, von 1921-1925, sollte der Schweizer Paul Klee (1879-1940) werden. Er schrieb  an seine Frau Lily bei einem vorangegangenen Besuch von dem wunderbaren Haus „auf der Höhe über den Park“.

Das Paar Doesburg wechselte im Sommer 1921 noch zwei mal die Wohnung (3.), von der weniger reizvollen Wohnung der Liszt-Strasse 25 in das Haus des Architekten-Lehrers der Weimarer Gewerbeschule und ehemaligen Mitarbeiters Henry van de Veldes Paul Undeutsch (4.), in die Belvedere-Alle 49. Ein Foto vom Herbst 1921 zeigen Nelly und Theo wie zufällig im „tuin atelier“ (Garten Atelier, oder einfach Garten), sehr erfreut und in Spielbein-Pose, mit Korb,Trenchcoat, Hut, dreiteiligen Tweed Anzug, Mantel und Klassischer Ballonmütze (3.).


Die Kurse


1922 mietete van Doesburg ein prächtiges Atelier am „Schanzengraben 8“, (heute an der Falkenburg 3), von Baron Eschwege (6), an. Seine karge, spartanische Einrichtung des prächtigen Ateliers welches er ganz in weiss hielt, beeindruckte viele Bauhäusler und sollte seinem jungen Schüler Karl Peter Röhl (1890- 1975) zum Vorbild werden.(7.) Im Winter gab es dort oft Zusammenkünfte die in Form eines kleinen geschlossenen De Stijl Kursus fortgesetzt wurden. Dieser Kursus bewirkte bei einigen Künstlern, vor allem bei Werner Graeff (1901-1978), Max Burchartz (1887-1996) und den schon benannten Röhl eine entscheidende Wende. Röhls Atelier (8.) sollte ab dem Frühjahr 1922 auch Theo van Doesburgs eigenen Kurs, von fast 40 Teilnehmern beherbergen (3.). Die zu bezahlenden Kurse über die Stijl-Prinzipien, die soeben fertiggestellte Übersetzung vom Philosophen Scheibe  „Grundbegriffe der Neuen Gestaltenden Kunst“ (9.), fanden vom 8. März bis 8. Juli Mittwoch abends statt. Die erfolgreichen Kurse über Architektur, Plastik und Malerei sollten seine treuen Kursteilnehmer nachhaltig beeinflussen. Walter Dexel (1890-1973) schreibt 1931 darüber:


„Er brachte uns, die wir während des Weltkrieges ohne Kenntnis der lebendigen Kräfte des Auslandes gelebt hatten, die ganze Welt in unsere Abgeschlossenheit, denn er war in engem Gedankenaustausch allen Avantgardisten verbunden. Alles, was in Holland, Frankreich, Italien, Amerika, Rußland an wichtigen fortschrittlichen Dingen und neuen Ideen existierte, war in zahllosen Abbildungen, in zahllosen Veröffentlichungen, in allen Sprachen in Doesburgs Weimarer Atelier gestapelt. (...) Seine Persönlichkeit wirkte sich vor allem lehrend aus. Als Lehrer war er hinreißend, mitreißend im ursprünglichsten Sinne des Wortes und von der Sache ergriffen, wie kaum einer - immer bemüht, allgemein verständliche, elementare Grundbegriffe aufzustellen, Methode zu geben statt subjektiver Eindrücke. Er hat so das ABC des neuen Gestaltungswillens wenigstens für Deutschland als erster formuliert.“



„Der Wille zum Stiel“ hieß ein konzertanter Vortrag, den er gemeinsam mit seiner Frau Nelly am Piano am 29. März in Jena, am 31. März in Weimar und am 9. April in Berlin hielt. Nelly schrieb in einen Brief an Kok:

„Diese Woche hat unsere Tournee angefangen. Mittwoch der Vortrag in Jena. Während van Domselaer fing das Publikum an, mit den Füßen zu scharren. Röhl + 3 Freunde waren mitgereist und haben Does nach dem Vortrag von den hinteren Reihen aus gehuldigt. Freitag war der Vortrag hier. Überfüllter Saal. Publikum sehr ruhig und der größte Teil fand es ausgezeichnet. Der Vortrag auch ist sehr enorm. So gut aufgebaut. So konstruktiv (mit 70 Lichtbildern). …“.

Im Mai 1922 traten Theo und Nelly van Doesburg im Hause der Gräfin von Dürckheim (10.) mit einem konzertanter Vortrag über „Neoplastische Monumentalität“ auf. Hierzu sollte Doesburgs Nähe zu Mondrian und dessen Beeinflussung durch den niederländischen Mathematiker und Theosophen M. H. J. Schoenmaekers (1875-1944), der den Begriff Neo-Plastizismus (dt. neue Gestaltung) definierte, erwähnt werden.





Beispiel: Jenaer Stadttheater


Das Beispiel Jenaer Stadttheater zeigt vielleicht am besten, die Kontroverse zwischen dem Menschen Doesburg und den expressionistischen Tendenzen, die es im Bauhaus gab. Zu dem Treffen am 22. September bei Gropius mit Meyer (Forbát war auch anwesend), die mit der Renovierung des Jenaer Stadttheaters beauftragt waren und mit den Gedanken spielten, die farbliche Gestaltung Doesburg zu überlassen, musste es bezüglich der künstlerischen Ausrichtung des Bauhauses zu einem heftigen Streit gekommen sein. Sein offenes Auftreten und seine öffentliche Kritik gegen Johannes Itten (1888-1967) und dessen Bauhaus-Grundausbildung und Mazdaznan-Mode trugen sicher dazu bei, dass es zu keiner Einigung kam. Am Ende beschloss Gropius den Theaterumbau in eigener Regie und mit Lehrern und Studenten vorzunehmen. Die Malerische Gestaltung übernahm der Form-Meister Oskar Schlemmer (1888-1943). Die Einweihung des Stadttheaters war am 24. September 1922 (11.). Dexel beschreibt 1923, im Zuge einer Vorbereitung des Triadischen Balletts (12.) zur Bauhauswoche und eines Vortrages von Doesburg den weiteren Verlauf so:

Hier kann ich nicht umhin, ein Erlebnis einzuflechten, dem wir in unserem Hause in Jena beiwohnen mußten. Gropius und Schlemmer waren an einem Nachmittag bei uns. Doesburg, der sich vorher die Ausmalung des Foyers und des Zuschauerraumes in besagtem Stadttheater angesehen hatte, war auch anwesend. Es ist nicht zu wiederholen, mit welch überscharfen Worten Doesburg diese farbige Gestaltung des Theaters angriff. Der feinfühlige Schlemmer wußte überhaupt nichts zu sagen. Gropius verteidigte die Ausmalung mit schwachen Kräften. Wir armen Gastgeber saßen mehr oder weniger stumm und vor allem gequält dabei. Wir schätzten Schlemmer sehr und waren mit Doesburg gut befreundet - und waren nur froh, als der Sturm vorüber war.“

Im Rahmen des Bauhausfestes 1923, fand am 17. August im Stadttheater Jena  die Aufführung, „das Mechanische Kabarett“ mit Musik, gespielt vom Komponisten H.H. Stuckenschmidt (1901-1988) persönlich, statt. Das Plafond im Zuschauerraum, mit einem figurativen Deckengemälde von Schlemmer wurde später von Gropius auf eigene Kosten monochrom übertüncht.





























Nelly: „das unentbehrliche dadaistische Musikinstrument Europas“


So wurde sie von Freunden an der 2. Veranstaltung des Internationalen Kongresses der Konstruktivsten und Dadaisten in 27. September 1922 in Jena ausgerufen.(5.) Es darf nicht in Vergessenheit geraten, das die Pianistin Nelly van Doesburg, seit sie im April 1921 in der Landeshauptstadt eintraf, immer auf der suche nach einem Klavier war. Das Instrument bei Keyserling, welches später Lily Klee zum Musizieren benutze, war scheinbar ein Glücksfall. Später übte sie bei einer Freundin, deren Kinder sie auch unterrichtete. Zu Hause in der Belvedere Allee wurde es ihr nicht gestattet sich ein Instrument aufzustellen und einen Blüthner Flügel, dessen Mietvertrag sie schon unterschrieben hatte, passte nicht durch den niedrigen Flur des Ateliers von Doesburg.

Zur Vervollständigung ihres Repertoires musste sie die Kontakte von Doesburg zu den Futuristen Enrico Prampolini (1894-1956) genutzt haben, um sich Partituren moderner italienischer Komponisten zu verschaffen. Vittorio Rieti (1898-1994), die französische Komponistengruppe „Les Six“ (13.) die Eric Satie (1866-1925) als ihren musikalischen Mentor sahen und die beiden niederländischen Komponisten Daniël Ruyneman (1886-1963) und Jakob van Domselaer (1890-1960) seien als Beispiele erwähnt.



DADA Weimar


Nach Doesburgs Meinung hieß es Weimar wachzurütteln. Zwei weitere Pseudonyme von Doesburg, I.K. Bonset, seit 1920 in der Zeitschrift De Stijl mit Dadaistischen Gedichten vertreten und der Futurist Aldo Camini, bekannt durch seine Rubrik ab 1921 „De Caminoscopie“ (14.) sollten bei dem „Kongress der Konstruktivsten und Dadaisten“, am 25. September in Weimar, am 27. September in Jena und zu der erfolgreichen Fortsetzung am 29. September 1922 in Hannover eine bedeutende Rolle spielen.

Der Dadaismus war eine breite Kunstbewegung, die 1916 in Zürich entstanden war und sich 1922, zur Zeit des Vertrages von Rapallo, dem Mord am Außenminister Rathenau, dem Marsch auf Rom, der Graböffnung des Tutanchamun, der Gründung der Sowjetunion und der Premiere des Stummfilmes Nosferatu, bis New York ausgebreitet hatte. Durch Sprache, Bildern und Musik trieben seine Protagonisten ihren Spott über gängige Kunstnormen, gesellschaftlichen Konventionen und der allgemeinen Sprachlosigkeit. Die inflationäre Finanzentwicklung gab sicher auch einen Grund für Wiedersinn und Aberwitz.

Ab dem Sommer 1922 erhielten die Vorträge des Paares Doesburg eine neue Dimension. Sie verkehrten nun offen mit den Dadaisten und ihre Auftritte wirkten nun, im Vergleich zu der vorangegangenen Inhaltsschwere wie eine beschwingte Performance. Improvisation war das Schlüsselwort. Das Initial, glaubt man den Aufzeichnungen von Nelly, war der Internationale Künstlerkongress, vom 29. - 31. Mai in Düsseldorf, zu dem sie mit Richter, Hausmann, Lissitzky, van Esteren, Graeff, Vasari und dem „Italienischen Futuristen Aldo Camini“ im Speisewagen fuhren. Ausschlaggebend sollte beim Kongressfest Raoul Hausmanns spontane Aktion „Tanz mit dem Stuhl“ (Memoiren Nelly van Doesburg „Dada en Voyage“) gewesen sein. Der Kongresses dagegen verlief ganz und gar nicht nach dem Geschmack der Gruppe aus Futuristen und Dadaisten und wurde ausgebuht und demonstrativ verlassen. Sichtbar wird es an einem Beispiel vom 16. August 1923, dem Tag der Vorführung des Triadischen Balletts, im kl. Saal des dt. Nationaltheaters Weimar bei der sich die Stromrechnung für diesen Tag, von 85 kWh, auf 17 Millionen Mark belief. (12).


Hans Arp (1886-1966) und Tristan Tzara (1896-1963), die van Doesburgs schon aus Frankreich kannten, kamen zu diesen Anlass extra nach Weimar, resp. Jena angereist. Mit dem Merz-Künstler Kurt Schwitters (1887-1948), der ebenfalls anreiste, stand Doesburg schon seit 1921 in Kontakt. Sein Beitrag sollte nicht wie viele annahmen die „Sonate in Urlauten“ gewesen sein, das Klanggedicht war zu diesen Zeitpunkt noch nicht fertig, sondern eher die fast handlungslose Geschichte „Ursache und Beginn der Großen Glorreichen Revolution“ (3.). Ebenfalls bei dem Kongress in Weimar, Burmeister und Fürlus zu folge (15.), war die Berliner Künstlerin Hannah Höch (1889-1978).

In Hannover, oder Revon, wie Schwitters in seiner Vorliebe für Verdrehung von Worten es immerzu nannte, kamen Raoul Hausmann und Gret Palucca (1902-1993), die junge Tänzerin und Mary Wigman Schülerin (1886-1973/ New German Dance) hinzu (3.).




Konstruktiv, Utilitär, Rationell und International


Sicher war Doesburg eine Laus im Pelz und mit seiner messerscharfen Analyse und Kritik ohne vorgehaltener Hand kein leicht zu nehmender Zeitgenosse. Doch hat er fachlich, wie in seiner Tätigkeit, lediglich als Privatdozent auserhalb des Bauhauses, in Weimar einiges erreicht. Die Gruppe KURI, mit den Architekten Farkas Molnár (1897-1945), Andor Weininger (1899-1986), Fred Forbát (1897-1972), den Architekten und Möbelgestallter Peter Keler (1898-1982) und Möbeldesigner Marcel Breuer (1902-1981) sowie den Designer Gyula Pap (1899-1983), die die konstruktivistische Umsetzung des Gesamtkunstwerks am Bauhaus anstrebten, lassen in ihren Arbeiten aus dieser Zeit den De Stijl erkennen. Auch sei der Student Hinnerk Scheper (1897-1957) zu benennen, der als ein besonderer Eiferer der neuen Richtung galt. Die Konstruktivistische Seite der Moderne zog mit László Moholy-Nagy (1895-1946) am 31. März 1923 offiziell in das Bauhaus ein. Er wurde Leiter des Vorkurses, also Nachfolger von Johannes Itten und auch Form-Meister der Metallwerkstatt. Nicht vergessen werden darf, dass Doesburg einer der Mitbegründer der abstrakten Malerei war und später den Begriff Konkrete Kunst prägte. Auch ist der „Kniefall“ von Kandinsky (so Schlemmer 1929) vor den Farb- und Formmethoden in den typischen Stijl-Farben rot gelb blau, um sie schließlich mit dem Viereck, dem Dreieck und dem Greis zu verbinden, nicht zu übersehen.

Sicher ist, dass Theo van Doesburg in den rund zwei Jahren die er in Weimar wohnte, das Bauhaus gründlich mit seinen neuen Ideen überzog und die Lehrer- und Schülerschaft
spaltete. Als er Ende 1922 in sein neues Atelier in Berlin umzog, atmete Weimar höchstwahrscheinlich auf, da sich schon beide Richtungen zum großen Schlagabtausch formierten. Der Bibliothekar des Bauhauses beklagte sich im Frühjahr 1923, dass „beinah alle Abbildungen“ aus „De Stijl“  herausgerissen waren.

Gropius sagte zu einem Symposium 1965 in Harvard University: „Doesburg wurde nur aus persönlichen Gründen abgelehnt...Er würde das Bauhaus völlig durcheinander gebracht haben.“ Das lag sicher an seiner menschlichen Art, die auch als dogmatisch beschrieben werden konnte. Gropius schreibt an Wulf Herzogenrath (*1944) 1968: „…doch mir selbst und der Lehrerschaft mißfielen die Aggressivität und der Ausschließlichkeitsanspruch, mit denen Doesburg auftrat. Darum habe ich ihn niemals gebeten, Lehrer zu werden. Er hatte einigen Einfluß auf einige der Studierenden, und wir alle waren interessiert an seinen Vorstellungen, wie wir eben alles aufzunehmen suchten, was ins Blickfeld kam…“

Der Architekt Adolf Behne (1885-1948) (16.) war es dann, der etwas gegen die „Keile“, die zwischen „so viele“ Künstler getrieben wurden, tat. Er lud am 3. Januar Gropius, der erfreut zusagte, ein.

Der weitere Verlauf dürfte bekannt sein und spätestens in Dessau, als das neue Bauhaus seine Pforten öffnete, fanden die Schüler, die in den Sog von Doesburgs geraten waren wieder Aufnahme.





Axel Görmar, Hannover 2014





Zitate


„Wir haben all diese Punkte in einer Proklamation festgelegt. Die Internatio- nale der Schöpferischen ist nur möglich: 1. als Arbeitsgemeinschaft; 2. als sozialpaedagogische Körperschaft. Wir müssen die Masse hinter uns haben. [...] Wir sind jetzt so weit, daß es am 25. September in Weimar einen kleinen Künstlerkongreß geben wird; 2. daß die Grundlage festgelegt worden ist; 3. daß Papier gekauft worden ist für das Organ: Konstruktion. Nur fehlen noch 15.000 Mark fürs Drucken, aber die wird Richter versuchen in Berlin zusammenzukriegen.“

Brief van Doesburgs an Antony Kok, 18. September 1922. Van Doesburg-Archief, Schenking van Moorsel, Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag. Hier zit. nach Bernd Finkeldey, Kai-Uwe Hemken: Konstruktivistische Ar- beitsgemeinschaft (Anm. 4), S. 314f.

„Für die meisten ist der unsentimentale, wenn auch völlig ungeniale Doesburg, so etwas wie eine Stütze, unter all den unruhigen und widerstrebenden Einzelansichten; [...] Wenn Doesburg Meister am Bauhaus würde, wäre er dem ganzen nicht schädlich, sondern eher nützlich, weil er ein Gegenpol zu mancher verstiegenen Romantik, die bei uns spukt, bedeutet. Vermutlich wäre er aber nicht fähig, sich innerhalb seiner Grenzen einzuschränken, son- dern würde, wie Itten seinerzeit, bald das Ganze kommandieren wollen.“

Brief Lyonel Feiningers an Julia Feininger. Weimar, 7. September 1922. Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Mass.

„Der dadaistische Künstler weist der Zeit den Weg in die Zukunft. Er ver- einigt in sich die Kontraste: Dada und Konstruktion. Nur konsequente Strenge ist das Mittel, um uns aus dem Chaos zu befreien. [...] Er ist durch innere Konsequenz erhaben über den kompromittierenden Unsinn, den er erkennbar macht. [...] Dada ist der Übergang. Wollen wir an der Konstruk- tion einer neuen Zeit teilnehmen, sind wir verpflichtet, mit den einfachsten Mitteln anzufangen.“

Kurt Schwitters: De zelfoverwinning van Dada. In: Haagsche Post, 20. Januar 1923. Hier zit. nach der dt. Übersetzung in: Die Selbstüberwindung Dadas. In: Doesburg / Schwitters. Holland ist Dada. Ein Feldzug. Hrsg. von Hubert van den Berg. Ham- burg 1992, S. 39-43, hier S. 42.

„Was wir Dada nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höhe- ren Fragen verwickelt sind; eine Gladiatorengeste; ein Spiel mit den schäbi- gen Überbleibseln; eine Hinrichtung der posierten Moralität [...]. Der Dada- ist liebt das Außergewöhnliche ja, das Absurde. [...] Jede Art Maske ist ihm darum willkommen. Jedes Versteckspiel, dem eine düpierende Kraft inne- wohnt. Das Direkte und Primitive erscheint ihm inmitten enormer Unnatur als das Unglaubliche selbst.“

Hugo Ball: Die Flucht aus der Zeit. Luzern 1946, S. 91 f.

„Ich hab’ De Stijl mit Kraft verteidigt. Die Leute brüllten: ›Akademie!‹ ›Wir wollen keine Diktatur‹ usw. [...] Das Ende war natürlich, daß wir unter hef- tigem Protest den Saal verlassen mußten, [...]. Auf jeden Fall wissen wir jetzt, mit wem wir für den nächsten Kongreß rechnen können. Die Futuris- ten, Dadaisten und noch andere haben das Gebäude mit uns verlassen [...]. Das zweite Mal werden wir es besser tun. Von den Russen haben wir enorme Unterstützung! [...] Wir arbeiten jetzt hart für die Internationale, die noch vor dem Winter zustandekommen muß.“

Brief van Doesburgs an Antony Kok, 6. Juni 1922. Van Doesburg-Archief, Schen- king van Moorsel, Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag. Hier zit. nach: Bernd Finkeldey, Kai-Uwe Hemken: Konstruktivistische Arbeits- gemeinschaft (Anm. 4), S. 313.




Textquallen


  1. 1.K. M. T. Ex Direktor des Centraal Museums Utrecht „NIEDERLÄNDER UND WEIMAR THEO VAN DOESBURG UND DAS BAUHAUS IN SEINER WEIMARER ZEIT“

  2. 2.Zu den Gründungsmitgliedern und späteren Vertretern des Stijl gehörten zum Bsp. der Maler, Kunsthistoriker, Architekt und etc. Theo van Doesburg, die Maler Piet Mondrian, Georges Vantongerloo, Vilmos Huszár, Bart van der Leck und Friedrich Vordemberge-Gildewart, die Architekten Robert van´t Hoff, J.J.P. Oud, Jan Wils, Gerrit Rietfeld und Cornelis van Esteren, sowie der Dichter Anthony Kok.

  3. 3.Durchschnitt reicht nicht - Nelly van Doesburg 1899-1975 von Wies van Moorsel, einer Zusammenfassung von Erinnerungen und Briefen von Nelly van Doesburg

  4. 4.Paul Undeutsch (1875- 1958), um 1908 Mitarbeiter von Henry van de Velde (1863-1957) www.architektur.de, Datenbank zur Bau- und Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts für den deutschsprachigen Raum

  5. 5.Mécano 1922, Nr. 3.

  6. 6.Baron Elmar von Eschwege (1856-1935), Professor und Schüler der Weimarer Malschule

  7. 7.Das Duo Klangzeichen, mit Michael von Hintzenstern und Daniel Hoffmann spielten im Rahmen des Bauhausjahres 2009 zu der Ausstellung „Bauhaus Weimar und internationale Avantgarde. Das Beispiel Karl Peter Röhl“ am 11. Februar.

  8. 8.Es gibt verschiedene Angaben. Im Prellerhaus, dem ältesten Haus auf dem Campus der Bauhaus-Uni ist am wahrscheinlichsten, wobei von der Buchfarter-Str. 4, das Nachbarhaus, die heutige Geschwister Scholl-Str. 4 auch die Rede ist.

  9. 9.1. Harry Scheibe,nannte sich Philosoph Scheibe und stammte aus einer Großbürgerlichen wohlhabenden Familie, verkehrte auch in der „Indischen Teestube“  ("Vorläufig muß ich leben bleiben". Alfred Ahner - Aus den Briefen und ... herausgegeben von Christina Ada Anders)                                                                                   2. Wies van Moorsel, in „Durchschnitt reicht nicht…“,schreibt auf S. 48 von einem Phil. Hans Scheibe, der Übersetzer von „Grundbegriffe der Neuen Gestaltenden Kunst“

  10. 10. Als „Palais Dürckheim“ 1912/13 nach Entwürfen von Henry van de Velde erbaut. Den Weimarern ist diese Adresse als Sitz des sowjetischen Geheimdienstes und Kommandantur und ab 1968 als Sitz der Kreisverwaltung des Ministeriums der Staatssicherheit bekannt. (Gräfin von Dürckheim, geb. Kosserow (1869-1959))

  11. 11. Siehe V. Wahl „Jena und das Bauhaus“ in der Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar  26. Jahrgang 1976 Heft 4/5

  12. 12. 1. Am 16. August 1923 fand im Weimarer Nationaltheater die Aufführung „das Triadische Ballett“ (Burger-Hötzel-Schlemmer) statt und einen Tag danach am 17. August im Stadttheater Jena „das Mechanische Kabarett“. Siehe Thür. Hauptstaatsarchiv Weimar Bestand Bauhaus Nr 42-Archiv,                                             2. Komposition 1921 Hanz Heinz Stuckenschmidt: Neue Musik – Drei Klavierstücke: 1. Expression Violett, 2. Der Champagner-Cobler und die grüne Sonne, 3. Marsch Alexanders des Großen über die Brücken Hamburgs

  13. 13. Auch Namen wie Georges Auric (1899-1983), Louis Durey (1888-1979), Arthur Honegger (1892-1955), Darius Milhaud (1892-1974), Francis Poulenc (1899-1963) und Germaine Tailleferre (1892-1983), auch bekannt als französische Komponistengruppe „Les Six“ die Eric Satie als ihren musikalischen Mentor sahen, gehörten zu den Namen, die wahrscheinlich auf ihren Partituren standen.

  14. 14. Anton Korteweg en Murk Salverda (red.), 't Is vol van schatten hier... (2 delen). De Bezige Bij / Nederlands Letterkundig Museum en Documentatiecentrum, Amsterdam / 's-Gravenhage 1986. http://www.dbnl.org/tekst/kort006isvo01_01/kort006isvo01_01_0079.php

  15. 15. Hannah Höch, eine Lebenscollage, Archiv-Edition: Band II, 1921-1945, beabeitet von Ralf Burmeister und Eckhard Fürlus, herausgegeben vom Künstlerarchiv der Berlinischen Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Photographie und Architektur, S 119

  16. 16. Adolf Behne (1885-1948), Architekt und einer der wortführenden Avantgardisten in der Weimarer Republik und die Person die wahrscheinlich Theo van Doesburg auf die Idde brachte nach Weimar zu kommen. Siehe Besuch Holland/ Doesburg 1920

  17. 17. Beschreibende Literatur aus dem Internet: http://www.academia.edu/13098960/_Four_unknown_postcards_from_Theo_van_Doesburg_to_Antony_Kok_Vier_onbekende_briefkaarten_van_Theo_van_Doesburg_aan_Antony_Kok_

  18. 18. Beschreibende Literatur aus dem Internet: http://www.via-regia.org/bibliothek/pdf/heft6465/ex_niederlaender.pdf, K. M. T. Ex Direktor des Centraal Museums Utrecht schreibt zu beginn seines beneidenswerten Textes über „NIEDERLÄNDER UND WEIMAR THEO VAN DOESBURG UND DAS BAUHAUS IN SEINER WEIMARER ZEIT“ - "Deusboerk Deusboerk, tief Atem holen, tief Atem holen, Deeeusboooooooooerck fabelhaft fabelhaft!" Dieses Zitat des Konstruktivsten und Bauhauslehrers László Moholy-Nagy aus dem Jahr 1925 bietet Stoff zum Nachdenken.

  19. 19. Beschreibende Literatur aus dem Internet: http://www.antonykok.nl/theovandoesburginweimar?sa=X&ved=0CB4Q9QEwBDgUahUKEwjD28SjgvnGAhVCDCwKHdpICdI

  20. 20. Beschreibende Literatur aus dem Internet: http://www.designishistory.com/1920/theo-van-doesberg/

  21. 21. Beschreibende Literatur aus dem Internet: http://de.wikisource.org/wiki/Der_Wille_zum_Stil/1 und http://de.wikisource.org/wiki/Der_Wille_zum_Stil/2

  22. 22.Beschreibende Literatur aus dem Internet: http://www.dadamenta.eu/1._Weimarer/Theo_&_Nelly_van_Doesburg_Weimar.html





 

Vittorio Rieti - Marcia funebre per un uccelino - Répertoire De Stijl/Bauhaus/Dada. At the piano: Nelly (Pétro) van Doesburg: Niederländische Avangard-Pianistin

T. van Doesburg zum Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten im September 1922 / verlinkung: http://fleursdumal.nl/mag/wp-content/uploads/wei00a.jpg

Uitnodiging dada-avond Hotel Fürstenhof, 25 september 1922. / verlinkung: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/75/Theo_van_Doesburg_103.jpg

Kontakt: Impresario A. Görmarsson * org@dadamenta.eu * +49/ 17645706820

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